Der Herr Pfarrer
Als Lotti wenig später die Hofeinfahrt betrat, sah sie das Auto vom Herrn Pfarrer. Es parkte neben Papas Landrover. Und als sie die Küche betrat und ihn dort am Küchentisch sitzen sah, wusste sie, dass sie ein furchtbares Schlamassel angerichtet hatte.
„Lotti“, riefen ihre Eltern gleichzeitig und Klausi, ihr Bruder, schaute sie über seine Kakaotasse hinweg schweigend mit weitaufgerissenen Augen an, als ob sie ein Gespenst wäre
„Wo warst du?“ „“Was ist mit Felix?“ „Um Gottes Willen, du bist ganz nass. Bist du ins Wasser gefallen? Was ist passiert? “ Ihre Eltern schossen durcheinander redend Fragen auf sie ab.
„Felix ist nach Hause gegangen“, sagte Lotti kleinlaut, als die beiden schließlich auf irgendeine Antwort warteten.
Der Herr Pfarrer war mittlerweile auch vom Tisch aufgestanden.
Er schaute sie so fragend an, dass Lotti spürte, wie sie wieder rot wurde.
„Du warst vorhin so aufgebracht und du hast erzählt, dass Felix …“
„Ich habe mich geirrt. Es tut mir leid. Ich dachte Müllbergers Hund hätte ihn aufgefressen.“ Lotti versuchte leichtherzig zu lachen.
„Müllbergers Hund!“ Lottis Papa schüttelte den Kopf. „Der kommt doch nie aus dem Garten heraus. Lotti, wie kannst du nur auf so eine Idee kommen?“
„Es war ja auch dumm von mir“, gestand Lotti und hoffte, dass diese Erklärung genügte.
„Zum Glück haben wir noch nicht mit Felix‘ Eltern gesprochen. Wir haben zwar angerufen, aber sie waren nicht erreichbar. Und daheim waren sie auch nicht“, sagte der Herr Pfarrer, ohne seinen Blick von Lottis Gesicht abzuwenden.
„Lotti, Lotti, hat Felix dir etwa wieder einmal einen bösen Streich gespielt?“, fragte Lottis Mama besorgt. „Der Kerl hat es ja faustdick hinter den Ohren, und ich glaube, er schaut sich Sachen im Fernsehen an, die gar nicht für Kinder geeignet sind.“
Lotti nickte ein wenig mit dem Kopf, sodass es ja oder nein bedeuten konnte.
„Meiner Lotti einen solchen üblen Streich zu spielen. Der Herr Pfarrer hat gesagt, du hast sogar geweint. Ich werde mal ein Wörtchen mit Felix reden müssen und mit seinen Eltern auch“, sagte Lottis Mama.
„Bloß nicht“, dachte Lotti.
„Na gut.“ Der Herr Pfarrer nahm seinen Hut vom Tisch und setzte ihn auf.
„Ich denke mir, Lotti, du und Felix, ihr beide kommt morgen um zehn Uhr vormittags und helft mir die Krippe aufzustellen. Und nachher reden wir drei noch ein bisschen, damit solche Sachen nicht wieder vorkommen. Frau Köffler, ich kümmere mich darum. Sie haben sicher genug damit zu tun, das Fest vorzubereiten. Und oft ist es besser, wenn Eltern sich nicht zu viel in die Freundschaften der Kinder einmischen. Gott zum Gruß!“ Er lüpfte seinen Hut. „Ich lasse mich selbst hinaus.“