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Adventkalender – 9. Tag

Der Wohltäter

Schweigend saßen sie gemeinsam um den Tisch in der Mitte der einfachen Hütte. Bei Einbruch der Nacht hatte der Vater die Öllampe sorgfältig gelöscht und jetzt warteten sie in der Dunkelheit auf das, was kommen würde.
„Es ist verlorene Zeit“, seufzte schließlich Klea, die älteste und gähnte.
Aber kaum hatte sie das gesagt, hörten sie Schritte. Sie hielten den Atem an. Vor dem Fenster erschien ein großer Schatten und eine Hand warf einen Beutel in den Raum. Klirrend fiel er zu Boden. Barbara die mittlere Schwester schrie leise auf. Der Schatten zuckte zusammen, drehte sich dann um und eilte davon.
Nick, Anna und der Vater stürzten durch die Tür hinaus und rannten dem Unbekannten nach. Ohne nachzudenken, schrie Nick auf einmal: „Nikolaos bleib stehen, sie wollen sich nur bei dir bedanken.“
Der Fremde blieb abrupt stehen. Anna, ihr Vater und Nick liefen zu ihm.
„Es ist wirklich der gute Bischof Nikolaos“, rief Anna und sie fiel vor ihm auf die Knie. Auch ihr Vater folgte ihrem Beispiel.
Nick blieb stehen und schaute den Mann an. Er versuchte in seinem Antlitz das Bubengesicht des Nikolaos wiederzufinden. Es gelang ihm nicht.
„Du hast mich trotz der Dunkelheit erkannt, meinen Namen gerufen. Kennen wir uns?“, fragte Bischof Nikolaos Nick.
„Ich bin Nick“, antwortete dieser leise und hielt gespannt den Atem an.
„Nick“, wiederholte der Bischof. „Ich kannte, als ich selbst noch ein Kind war, einen Buben, der hieß Nick. Er kam aus dem Norden, von den Ufern der Danubius.“
Nick schluckte. Anna und ihr Vater schauten die beiden neugierig an.
„Aus Vindobona“, sagte Nick. „Das war…“ Er zögerte. „Das war mein Vater!“ log er.
„Dein Vater? Lebt er noch?“ fragte Nikolaos.
„Ja“ sagte Nick.
„Ist er hier?“ Nikolaos Stimme klang aufgeregt.
Nick schüttelte den Kopf. Nikolaos legte seine große Hand auf Nick’s Schultern.
„Nick, sag deinem Vater, wenn du ihn wiedersiehst, dass ich ihn nur eine kurze Woche gekannt habe, aber dass er für mich ein guter Freund in einer schweren Zeit war. Willst du ihm das ausrichten?“
Nick’s Augen füllten sich mit Tränen und er konnte nur stumm nicken.
Er ging ein paar Schritte zurück und beobachtete aus der Ferne, wie Anna und ihr Vater dem guten Bischof dankten. Nikolaos hob abwehrend die Arme zum Himmel, so als ob er sagen wollte, dass nicht er, sondern Gott die Tat vollbracht hatte.
Nick lächelte. Dann wandte er sich ab und ging weg.

Veröffentlicht unter Adventkalender

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