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Adventkalender – 15. Tag

Abschied

„Das ist doch nur ein Märchen“, sagte die Frau ungeduldig. „Komm schon, dort ist der Bus. Wir müssen uns anstellen, einsteigen und Tickets kaufen, bevor er voll ist. Jetzt habe ich keine Zeit mehr für Aleynas Geschichten“
„Nein“, Rana blieb stehen und stampfte mit dem Fuß auf. „Ich mag den dummen Bus nicht. Und es gibt Dschinns! Nicht wahr Aleyna. Meine Puppe ist ein Dschinn geworden.“
„Natürlich gibt es Dschinns“, sagte die Frau rasch. „Und jetzt gehorche ohne so herumzuschreien.“
„Aber Aleyna wünscht sich von ihrem Dschinn einen Schatz.“
„Oh je“, dachte Aleyna, „jetzt habe ich etwas Falsches gesagt.“
Shirin kam ihr zu Hilfe.
„Rana“, sagte sie zu ihrer Schwester. „Was hast du dir denn von deinem Dschinn gewünscht? Hast du das etwa schon vergessen? Man kann Wünsche nicht wie Kleider wechseln.“
„Dass ich nach Deutschland komme und wieder sehen kann“, sagte Rana widerstrebend. „Aber das kann noch ein kleines bisschen warten.“
„Du kannst doch deinem Dschinn nicht vorschreiben, wann er deinen Wunsch erfüllen soll“, sagte Shirin strafend. „Und überhaupt, Sehen können ist ein riesengroßer Wunsch, und dann wäre es unbescheiden, wenn du dir auch noch eine Schatzhöhle wünschst. Die Zauberkräfte eines Dschinns sind nicht unbegrenzt. Was ist dir denn wichtiger? Gold, Silber und Diamanten oder dass deine Augen wieder gesund werden?“

Rana schwieg. Sie hätte sehr gerne Gold, Silber und Diamanten gefunden, aber Shirin hatte Recht. Die Augen waren wichtiger.
„Die Augen“, sagte sie leise.
„Siehst du und deshalb fahren wir mit dem Bus, damit dein Dschinn sich auf das Wichtigere konzentrieren kann!“
„Und wenn mein Dschinn mich eine Schatzhöhle finden lässt, dann bekommst du einen Diamanten“, versprach Aleyna.
„Kann er dich nicht einen ganz kleinen jetzt schon finden lassen?“, bettelte Rana.
Da spürte Aleyna die Murmeln in ihrer Manteltasche.
Sie knöpfte die Tasche auf, holte eine heraus und ließ sie vor sich auf die Erde fallen.
„Oh“, rief sie überrascht. „Die Zauberkräfte unserer Dschinns sind riesengroß. Bück dich Rana. Vor deinen Füßen liegt ein …“
Rana bückte sich schnell wie der Blitz, tastete mit ihren Händen den Boden ab und ihre Finger fanden die Murmel.
„Ein Diamant. Mama, Mama ich habe einen Diamanten gefunden!“
Strahlend hielt sie die kleine blaue Murmel hoch.
„Was für eine Farbe hat er, Aleyna?“
„Blau, und er glitzert wunderbar.“
„Wenn Papa deinen Diamanten sieht“, sagte Shirin. „Wird er stolz auf dich sein.“
„Oh ja, Papa muss ihn sehen“, rief Rana und hüpfte herum.
„Dann komm jetzt rasch in den Bus!“, sagte die Frau und nahm die Mädchen bei der Hand.
Es blieb keine Zeit mehr für viele Abschiedsworte. Ein kurzes Winken, und der Bus verschwand in einer Staubwolke.
„Das waren gute Leute“, sagte Opa Hamid. „Und Gott wird ihnen das Gute vergelten.“

Veröffentlicht unter Adventkalender

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