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Adventkalender – 10. Tag

Abschied vom Tisch

Die Frau holte aus dem Bus einen Karton und fing an den Tisch zu decken. Sie stellte Plastikteller und Plastikbecher darauf. Dann zwei Flaschen mit Saft und Wasser, aus einem Sack zauberte sie Fladenbrote und Konserven.
Aleynas Augen wurden immer runder. So viel zu essen!
„Was macht sie“, flüsterte Rana, das kleinste Mädchen neben ihr, und tastete nach Aleynas Hand. Aleyna fing an alles zu beschreiben.
Die Frau bemerkte es und lächelte.
„So eine wie dich könnte ich auf meiner Reise brauchen“, sagte sie freundlich. „Die drei sitzen im Dunkeln und ich bin viel zu beschäftigt mit dem Fahren, als dass ich sie mit Geschichten unterhalten könnte.“ Sie blickte prüfend zu Yasin und Opa Hamid hinüber. „Wenn ich es mir so recht überlege, könnte ich euch alle drei gut brauchen. Mit zwei richtigen Männern im Bus, könnten wir die Hauptroute in die Türkei und von dort zur Küste fahren. Sie können doch Autofahren, oder?“
Opa Hamid nickte.
Yasins Augen fingen an zu leuchten.
„Sie würden uns mitnehmen?“, fragte er aufgeregt. „Wir können aber nichts dafür bezahlen“, fügte er ehrlich hinzu.
„Wer sagt, dass ihr nicht bezahlt? Einer steuert, eine unterhält meine Kinder mit Geschichten und für dich finde ich bestimmt auch noch eine nützliche Aufgabe. So gesehen bezahlt ihr eure Fahrt.“
Opa Hamid und Yasin wechselten einen raschen Blick.
„Vielen Dank. Wir nehmen das großzügige Angebot gerne an“, sagte Opa Hamid.
Und so geschah es, dass sie nach dem Essen alle gemeinsam in den Bus stiegen. Vorne am Steuer saß Opa Hamid, daneben die Frau. Sie hatte jetzt wieder ein Kleid angezogen. Hinten zwischen Kartons mit Essen und Decken saßen Yasin, Aleyna, Rana, Shirin und Yasmina auf Matratzen.
Nur der Tisch blieb zurück.
„Weil“, wie Opa Hamid bemerkte, „es nicht schadet, wenn auch andere sich ein bisschen wundern, warum ein Tisch mitten im Nichts auf einer Straße steht.“
Als der Bus anfuhr, stand Aleyna schwankend auf und schaute aus dem Heckfenster.
Es war wirklich ein wunderlicher Anblick. Ein Tisch auf der Straße. Sie winkte ihm zu.
„Danke, dass du uns jede Nacht beschützt hast“, flüsterte sie. „Wir werden dich nicht mehr brauchen, denn der Bus bringt uns jetzt rasch ins Friedensland.“

Veröffentlicht unter Adventkalender

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