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Adventkalender – 19. Dezember

Der Ochse

„Aber Maria und das Jesuskind fehlen“, sagte Lotti. „und der Esel übrigens auch.“
Sie wühlten nochmals zwischen den Papierschnipseln und fanden ein weiteres Päckchen.
Es war Maria mit dem Jesuskind im Arm. Maria lächelte glücklich auf das Baby hinab, als ob sie gar nicht bemerkte, dass ihrem Kind das rechte Bein fehlte. Dieses war so winzig klein, dass ein Ersatzbein eines Hirten wohl nicht in Frage gekommen war.
„Wo ist der Esel?“, fragte Felix und wühlte nochmals im Koffer. Aber sogar als er jedes einzelne Papierschnipsel aus dem Koffer herausholte, fand er kein Päckchen mehr.
„Vielleicht war er so kaputt, dass man ihn nicht mehr kleben konnte“, meinte Lotti traurig. Eine Krippe ohne Esel war ja eigentlich keine richtige Krippe. Sie schaute von den Krippenfiguren zu Felix und dann wieder auf die Krippenfiguren. Sie hatte sie gezählt. Es waren einunddreißig Stück. Jeder könnte also 15 Stück mitnehmen. Das übrigbleibende Schaf, beschloss sie großzügig, würde sie Felix überlassen als Weihnachtsgeschenk.
„15 Tausend Euro“, dachte Lotti, ob sie sich damit das Pferd kaufen und noch auf Urlaub fliegen konnte? Aber was, wenn Felix gar nicht teilen wollte? Er schaute so nachdenklich auf die Figuren.
„Teilen wir sie auf? Jeder bekommt die Hälfte. Dreizehn Schafe und ein Ochse, das sind vierzehn Tiere. Also jeder sieben“, schlug sie vor.
Felix gab ihr keine Antwort, stattdessen griff er nach dem Ochsen.
„He“, sagte Lotti. „Du kannst nicht einfach den Ochsen nehmen. Den wollte ich auch haben.“
Felix beachtete sie nicht. Er drehte die kleine Figur in alle Richtungen.
„Komisch“, flüsterte er.
„Was?“, fragte Lotti, die es gar nicht komisch fand, dass Felix selbstverständlich dachte, dass er die erste Wahl hatte.
„Der Ochse“, sagte Felix. „Er ist ganz. Er wurde nicht zerbrochen und wieder zusammengeklebt. Schau, ich kann keinen einzigen Riss erkennen, nicht einmal einen winzigen. Er ist vollkommen unbeschädigt.“ Felix schüttelte verwundert den Kopf. „Ich verstehe das nicht. Eine ganze Krippe wurde zerbrochen, alle Figuren nur ein Ochse nicht.“
„Und vielleicht der Esel auch nicht“, warf Lotti ein.
„Ja vielleicht, aber das können wir nicht wissen, denn der fehlt.“
„Gut, aber teilen wir jetzt oder nicht?“, fragte Lotti ungeduldig. Sie hatte auf ihre Uhr geschaut. In zwanzig Minuten sollten sie bei der Kapelle sein, wo der Herr Pfarrer mit seiner Krippe schon auf sie wartete.
„Wir können die Figuren nicht hier draußen stehen lassen, Felix“
Lotti holte die fünfzig Cent aus der Jackentasche hervor, die Felix ihr gestern für den Kaugummikauf spendiert hatte. „Wenn du Kopf wirfst, bekommst du den Ochsen. Bei Zahl darf ich ihn mir nehmen.“ Sie reichte ihm die Münze. Der unverletzte Ochse war sicher doppelt so viel wert, wie die anderen Figuren. Sie kreuzte ihre Finger. Beim Münzwerfen hatte sie fast immer Glück.

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Veröffentlicht unter Adventkalender

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