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Adventkalender – 24. Dezember

krippeBruder Francesco war auf dem Weg nach Hause. Sein Zuhause waren die Höhlen oberhalb von Assisi. Als er die kleine Stadt hinter sich gelassen hatte und den Anstieg in Angriff nahm, blickte er hinauf zum Himmel. Die Sterne funkelten. In wenigen Tagen war jene Nacht, in der sich alle an die Geburt Christi erinnern sollten. Aber für die meisten war es nur mehr ein weiterer Anlass, sich die Bäuche voll mit Essen zu füllen, dachte Bruder Francesco.
Seit Tagen überlegte er, wie er den Menschen wieder vor Augen führen konnte, was wirklich in jener Nacht vor mehr als tausend Jahren geschehen war und was es zu bedeuten hatte.
Wie ein funkelnder Mantel hüllte die Nacht mit ihren tausenden Sternen Bruder Francesco ein. Wenn nun einer dieser Sterne so groß und prächtig wie jener Stern damals über Betlehem leuchten würde, dachte Bruder Francesco, dann könnte er die Menschen in der Weihnachtsnacht hier hinauf führen, um sie daran zu erinnern, wie einst der Stern die einfachen Hirten und auch die reichen Weisen aus dem Morgenland zu Christus geleitet hatte.
„Schwestern Sterne“, murmelte Bruder Francesco gedankenverloren, „könnte einer von euch nicht ein wenig mehr leuchten?“ Stille, tiefe Stille war die Antwort der Nacht.
Bruder Francesco ging weiter und betrat den Waldweg. Bald erreichte er den Eingang zur kleinen Schlucht. Zu seinem Erstaunen fand er dort an einem Baum vier Pferde festgebunden die unruhig mit ihren Beinen stampften, als sie ihn bemerkten.
„Habt keine Angst, ich bin es, euer Bruder Francesco“, sagte Bruder Francesco freundlich und beschleunigte neugierig seine Schritte. Von einem kleinen Absatz im felsigen Weg aus konnte er seine Höhle liegen sehen. Er hielt inne. Ein schwacher Lichtschein erhellte die Höhle. Jemand, wahrscheinlich die Reiter der Pferde, musste darin ein Feuer angezündet haben.
Vor der Höhle zögerte er. Was, wenn seine Besucher Räuber waren? Er fror ein wenig. „Francesco, auch ein Räuber ist dein Bruder!“ ermahnte er sich selbst und betrat die Höhle.
Was er sah, konnte er zuerst nicht fassen.
Auf Stroh gebettet in einer alten Futterkrippe lag ein Kind und blickte ihn an. Daneben schlief eine junge Frau. Ihre Hand ruhte noch auf der Decke, in die sie das Kind sorgfältig gewickelt hatte. Auf der anderen Seite des Feuers, ebenfalls in tiefen Schlaf versunken, lagen drei Gestalten. Ein alter Mann in einem prächtigen Mantel, ein dunkelhäutiger junger Mann, der von weit her gekommen sein musste, und ein Bub. Bruder Francesco fiel vor dem Kind auf die Knie. Das Kind lächelte ihn hellwach an.
„Oh“, stammelte Bruder Francesco, „Genau so muss es vor tausend Jahren gewesen sein, als in jener heiligen Nacht Christus zur Welt gekommen war, um alle Menschen zu retten.“ Wenn er das, was er bei diesem Anblick spürte, den Menschen zu Weihnachten auch zeigen konnte, was für ein Christfest würde es dann für alle werden! Hier war alles wie in Betlehem, die einfache Höhle, das Kind in der Futterkrippe, die junge Frau und die drei Besucher aus der Ferne.
„Sie würden wieder wissen, warum wir Weihnachten feiern“ sagte Bruder Francesco laut.
Marietta wurde wach und sah im Schein des Feuers Bruder Francesco vor dem Kind  knien.
„Bruder Francesco“, flüsterte sie noch benommen vom Schlaf. „Ihr müsst dem Kind helfen. Es ist krank.
Es hat Aussatz.“
Krank? Aussatz? Bruder Francesco beugte sich über das Kind, nahm es in die Arme und drückte es an sich. Er fühlte das Herz des Kindes kräftig und gesund klopfen. „Es ist nicht krank!“ sagte er mit einer plötzlichen inneren Gewissheit.
Auch Don Ricardo, Cosmo und Ibrahim waren aufgewacht.
„Das Kind hat Aussatz, könnt Ihr es heilen oder nicht?“ fragte Don Ricardo.
Bruder Francesco schüttelte den Kopf. Er legte das Kind in Mariettas Arme.
„Ihr könnt Matteo nicht heilen?“, fragte Cosmo.
„Sollen wir beten zu Gott, zu Allah?“, schlug Ibrahim vor.
Bruder Francesco schaute seine drei Weisen aus dem Morgenland an. Abermals schüttelte er den Kopf.
„Dieses Kind hier braucht keine Heilung. Es ist gesund. Wir Menschen sind es, die vergessen haben, warum es zu uns auf die Erde gekommen ist.“ sagte er mit fester Stimme.
Dann drehte er sich um und ging wortlos in die Nacht hinaus. Die anderen schauten ihm nach.
„Ich verstehe es nicht! Wovon redet dieser Bruder Francesco?“ sagte Ibrahim.
„Er hätte wie Jesus seine Hände auf Matteo legen und beten können.“ sagte Cosmo enttäuscht.
„Ein seltsamer Mann!“ meinte Don Ricardo. „Einer der sich nicht in die Welt, so wie sie ist, einfügen kann.“
Nur Marietta sagte nichts. Sie wickelte das Kind aus dem Gewand, das es trug. Die Flammen des Feuers warfen Lichtzacken über den kleinen nackten Körper. Marietta konnte keinen Hautausschlag sehen. Die Flecken waren verschwunden. „Danke.“, flüsterte sie.
Dann hielt sie das Kind hoch und rief: „Seht doch her! Bruder Francesco hatte recht. Matteo braucht keine Heilung. Er ist gesund.“

Veröffentlicht unter Adventkalender

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