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Adventkalender – 10. Dezember

federDon Matteo stand neben dem Kapitän beim Steuerrad und blickte zum Horizont. Dort an der flachen Küste wurden die Umrisse seiner geliebten Heimatstadt langsam größer und
deutlicher. In wenigen Stunden, wenn die frische Brise weiterhin so fest in die Segel blies, würden sie den Hafen Venetias erreichen.
Ach, wenn nur auch Lydia auf ihn dort warten würde! Aber seine junge Ehefrau mit dem neugeborenen Kind wusste er im sicheren Perugia. Venetia war keine gesunde Stadt. Im Sommer war sie an vielen Tagen von einer nebligen, stinkenden Dunstglocke überzogen, im Winter kroch eine faulige Feuchtigkeit von den Kanälen hinein in die Häusern, Sogar das festeste Mauerwerk der vornehmen, neu gebauten Palazzos konnte sich nicht lange dagegen zur Wehr setzen. Auch das brackige Wasser der Lagune, in die alle ihre Abfälle warfen, war, so befürchtete Don Matteo, ein Ort, an dem sich der Tod wohler fühlte als das Leben. Die vielen Schiffe von allen Enden der bekannten Welt brachten ebenfalls nicht nur kostbare Güter, sondern auch manche Krankheit nach Venetia, für die die Ärzte keine Heilmittel kannten.
Deshalb hatte er Lydia, als es sich zeigte, dass sie ein Kind erwartete, nach Perugia geschickt. Dort im kühlen Apennin war die Luft frisch und das Quellwasser sauber. Sein Sohn, und Don Matteo hoffte inständig auf einen männlichen Nachfolger, sollte in jener Umgebung gesund und kräftig aufwachsen.
So kräftig, wie Cosmo und Ibrahim, dachte Don Matteo. Er hatte die zwei Buben während der Überfahrt beobachtet. Er freute sich über ihre Tüchtigkeit. Auch jetzt waren sie den hohen Mast furchtlos hinaufgeklettert, um noch ein Segel aufzuziehen.
Er würde sie nach Perugia mitnehmen, beschloss Don Matteo. Die nächste Reise würde das Schiff, in einem Verband mit anderen Handelsschiffen aus Venetia, an der Küste Afrikas entlang führen. Das war eine lange und gefährliche Reise. Auch wenn die Händler Geld genug zusammengelegt hatten, um die Schiffe durch eine gut ausgebildete und gut bezahlte Kompanie Soldaten beschützen zu lassen, lauerten trotzdem überall Seeräuber. Nicht nur einmal war es geschehen, dass im schlechten Wetter ein Schiff den Anschluss an die übrigen verloren hatte, von den Piraten aufgespürt und ihnen wehrlos ausgeliefert
gewesen war. Das Schiff und seine Ladung waren dann für immer verloren. Die  Besatzung wurde in die Sklaverei verkauft.
Don Matteo hatte zuviel Geld für Ibrahim und Cosmo bezahlt, als dass er sie diesem Risiko aussetzen wollte. In Perugia sollten sie sich auf seinem Landgut nützlich machen. Don Matteo hatte auch bemerkt, wie schnell Cosmo die für ihn zum Großteil doch fremde Linqua Franqua aufgegriffen hatte.
Er rieb sich vergnügt die Hände. Wer weiß, vielleicht konnte er Cosmo zu einem Schreiber ausbilden lassen. Gute, zuverlässige Schreiber waren teuer und selten, wohingegen  Cosmo ihm noch zehn Jahre unbezahlt dienen musste.

Veröffentlicht unter Adventkalender

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