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Dekanatsbericht

Kanonische Visitation der Pfarre Klosterneuburg – St. Leopold von September 2003 bis Jänner 2004

durch Erzbischof
Kardinal Dr. Christoph Schönborn

Wien, am 29. Jänner 2004

Verehrter Herr Prälat!
Liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst!
Liebe Pfarrgemeinderäte und Pfarrgemeinden!

Eine Visitation ist für den Bischof die Gelegenheit, das Wirken des Heiligen Geistes in den Gemeinden zu suchen: Es ist eine große Freude zu sehen, dass ER da ist, dass das Reich Gottes wächst, in Klosterneuburg, in Ihrer Pfarrgemeinde. Dabei ist es nicht immer der äußere Erfolg, den wir so oft erwarten. Es sind die ganz kleinen, verborgenen Dinge: die Treue, ein langer Atem in den übernommenen Diensten und Funktionen oder die oft mühselige, aber mit großem Verantwortungsbewusstsein gepaarte Sakramentenvorbereitung. Wir alle brauchen eine neue Wachsamkeit für das Wirken seines Geistes unter uns: Welche Zeichen gibt ER uns für unser Christsein in der Gegenwart? Einige solche Zeichen und die damit verbundenen Herausforderungen möchte ich hier ansprechen:

Die meisten Pfarrkirchen im Dekanat sind tagsüber geöffnet: Die Gegenwart des Herrn ist das größte Kapital der Kirche, das muss uns neu bewusst werden! Die offene Kirchentüre ist eine ständige Einladung an alle, auch an mich: Kommt, tretet vor Gott! Bringt Euer Leben, die Freuden, aber auch die Leiden und Sorgen vor Christus hin, der sich selber „die Türe“ genannt hat und der unter uns gegenwärtig ist. Verschließen wir uns nicht dieser Kraftquelle der Gegenwart Jesu Christi im Tabernakel! Es wird die wichtigste Aufgabe der Zukunft sein, das regelmäßige Beten in den Gemeinden nicht verstummen zu lassen, es vielleicht noch zu beleben. Dabei ist nicht primär wichtig, wie viele sich versammeln, sondern, dass es geschieht.

Das Miteinander des Stiftes und der Pfarren zeichnet das Dekanat Klosterneuburg besonders aus. Diese starke Bindung hat eine lange Tradition bei den Augustiner Chorherren. Für die Übernahme der Bau- und Renovierungskosten zu einem Drittel und für die vielen praktischen Hilfen, die das Bau- und das Kammeramt des Stiftes für die Stiftspfarren leistet, sei hier einmal Dank gesagt. Vor allem aber bin ich dankbar für das Stift als geistliches Zentrum. Dem würde die angedachte Schaffung einer Anbetungskapelle in der Stiftskirche sehr entsprechen. Ein weiterer Gedanke ist die Sorge um die Jugend: Es ist für die Seelsorger und Gemeinden schwer geworden, die Jugend zum ständigen aktiven Mitleben in der Pfarre zu gewinnen. Dementsprechend fühlen sich die meisten Pfarren alleine mit der Jugendpastoral überfordert oder sind entmutigt. Hier setze ich Hoffnungen in das Stift, es könnte durch seine zentrale Lage und Rolle zukünftig ein Mittelpunkt gemeinsamer, strukturierter Jugendpastoral im Dekanat werden. Die Präsenz der jüngeren Herren des Stiftes wäre ein guter Impuls für geistliche Berufungen in der Region. Darüber hinaus muss dieser Gedanke auch in den Familien und Gemeinden wach gehalten werden.

Die rasanten Veränderungen in Gesellschaft und Kirche haben seit der letzten Visitation vor zwanzig Jahren auch zu entscheidenden Veränderungen in den Pfarrgemeinden geführt. Das traurige Signal des deutlich rückläufigen Kirchenbesuches wird vom ermutigenden Signal des wachsenden Engagements vieler Laien begleitet. Das Zusammenleben in den Gemeinden ist intensiver und profilierter geworden. Die kommende Herausforderung ist angesichts der geringer werdenden Zahl an Seelsorgern und der knapper werdenden finanziellen Ressourcen das Zusammenrücken der Gemeinden untereinander. Ich ersuche alle Pfarren um Kooperation, besonders die unmittelbar benachbarten. Das Grundprinzip dabei ist die Subsidiarität: Dort, wo Gemeinden wesentliche Aufgaben nicht aus eigener Kraft erfüllen können, erhalten sie Unterstützung in der Pfarrgemeinschaft. Umgekehrt kann eine Gemeinde auch Aufgaben für alle übernehmen, weil sie in einem Bereich besonderer Stärken entwickelt hat: Nicht jeder muss alles machen. Das Profil einer Gemeinde kann eine wertvolle Bereicherung für die anderen sein. Die Vorbereitung regelmäßiger gemeinsamer kirchlicher Feiern und zumindest eine jährliche gemeinsame Pfarrgemeinderatssitzung benachbarter Pfarren wären erste konkrete Schritte. Klosterneuburg könnte ein Beispiel für diese Zusammenarbeit werden. Der Priesternotruf im Dekanat ist ein positives Beispiel dafür, was gemeinsam möglich wird. Wäre eine solche gemeinsame Anstrengung auch für eine Stadtmission in Klosterneuburg denkbar? Die Größe der Stadt und ihre verschiedenen Netzwerke wären ideale Vorraussetzungen dafür. Die Erfahrungen aus Baden, das eine solche Mission gewagt hat, könnten ein konkreter Ansporn sein. „Öffnet die Türen für Christus!“ Die Notwendigkeit eines mutigen Schrittes nach draußen, zu den Menschen die nicht kommen, war Gesprächsthema in fast allen Gesprächen mit den Pfarrgemeinderäten.

Schließlich möchte ich auch eine Sorge mit Ihnen teilen: Das Beichtsakrament – das Ostergeschenk des Auferstandenen Herrn – ist weitgehend aus dem sakramentalen Leben in unseren Gemeinden verschwunden. Fast gleichzeitig, aber unbemerkt, ist das Schuldbekenntnis, manchmal auch gleich der ganze Bußakt, still von seinem Platz in der Eucharistiefeier verschwunden? Das führt zur grundlegende Frage: Kommt die Notwendigkeit von Umkehr und Versöhnung und damit die Botschaft von der Barmherzigkeit Gottes regelmäßig in unseren Gemeinden zur Sprache? Christus ist zu den Kranken, zu den Sündern gekommen. ER ist mitten unter uns!

Unzählige Eindrücke habe ich aus den Pfarrbesuchen im Dekanat mitgenommen: Ich denke an das gemeinsamem Feiern der Gottesdienste, an die liebevolle und originelle Vorbereitung des Kindersegens. Ich denke an die Begegnungen mit den Vertretern der Stadt und mit dem Herrn Bürgermeister zurück, dem ich besonders für seine häufige Anwesenheit – auch in den Pfarren – danken möchte. Das sprichwörtlich gute Miteinander von Gemeinde, Stift und Pfarren wird hoffentlich ein „Markenzeichen“ dieser geschichtsträchtigen Stadt bleiben. Ich denke an die mich bewegenden Begegnungen in den Alten- und Pflegeheimen, im Spital und im Rehabilitationszentrum „Weißer Hof“. Gerne erinnere ich mich an die Gespräche mit den Schülerinnen und Schülern, deren Fragen mich immer wieder beeindruckt haben. Und ich denke an die herzliche Gastfreundschaft, die ich überall genießen durfte, ganz besonders häufig im Stift. Eindrücke, die für mich ermutigend und bereichernd waren und die dazu beigetragen haben, dass mir während der letzten Monate die Besuche in Klosterneuburg lieb geworden sind. Deshalb ist es mir ein Anliegen DANKE zu sagen: Allen voran Ihrem Dechant KR Dr. Leopold Streit CanReg. Ein Dank, der allen gilt, die bei der Vorbereitung der Visitationstage in den Pfarren, der gemeinsamen Dekanatsveranstaltungen und der feierlichen Gottesdienste mitgewirkt haben.

Auf die Fürsprache des Heiligen Markgrafen Leopold,
segne Sie und alle Gemeinden der barmherzige und dreifaltige Gott

Veröffentlicht unter Allgemein

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